Torfige Whiskies sind Archetypen schlechthin. Torf steht mittelbar für Erdverbundenheit, Freiheit und vielleicht auch Männlichkeit. Vielleicht auch noch für Pfadfinder. Und doch: Torf ist nichts anderes als teilweise verrottetes Pflanzenwerk, bestehend aus Bittergräsern, Heidekraut und vielleicht verwesten Lurchen. Von allem etwas also – und wahrscheinlich nicht vegan. Es „wächst“ im Schnitt pro Jahr 1 Millimeter und nur das stark verdichtete Torf eignet sich als Brennstoff für die Herstellung von Whisky. Nachdem die Engländer im Rahmen der „schottischen Flurbereinigung“ die ehemals dichten Urwälder zum Schiffbau und zur Kohlegewinnung radikal abgeholzt haben, blieb da als Brennstoff nur noch der Torf, Holz war unbezahlbar. So fand der Torf seinen Weg in den Whisky.
Torf ist keine alte „Erfindung“
Aber der Torf im Whisky war nicht immer so deutlich spürbar, wie man es heute kennt. Noch bis in Ende 50er-Jahre produzierte z.B. Talisker – und manche andere – so quasi „unpeated“ Whiskies, d.h. zwar doch mit Torf, allerdings in der weit weniger intensiven Rauchigkeit des stark getrockneten Torfs, der nur leichte Rauchnoten im Whisky hinterliess. Will man einen starken Peatcharakter, dann darf der Torf nicht trocken sein, damit er schweren Rauch entwickelt. Überhaupt haben die strengen, torfhaltigen Whiskies erst spät die Gunst der Kunden erlangt. Sie waren zunächst blosse Beigabe in Mainstream-Blends wie Johnny Walker und Ballatines und wurden kaum als Single Malt abgefüllt, weil es dafür keinen Markt gab. Single-Malt-Bereiter Glenfiddich hat es dann schliesslich geschafft, gegen deutliche Proteste in der Industrie den ersten Single Malt Whisky zu etablieren. Das war Anfangs der 60er-Jahre. Er hatte eine milde, fruchtige Charaktere, die damals als breitenfähig eingeschätzt wurde – mit Erfolg. Glenfiddich hat damit einen wesentlichen Beitrag zum Siegeszug der Kategorie „Single Malt Whisky“ geleistet.
Starker Wachstumsschub
Islay, früher ein Geheimtipp unter den Whiskygeniessern, hat in den letzten 20 Jahren einen ungeheuer starken Wachstumsschub erhalten. Es ist schwierig geworden, nur schon bei den rund 10 „klassischen“ Distillerien auf Islay den Produkte-Überblick zu behalten. Da werden neue Serien rausgedonnert, was das Zeug hält. Selbst Hardcore-Sammler werden mittlerweile überfordert – und resignieren bereits teilweise. Spätestens beim heute sehr ambitiösen Preis für Islay-Whiskies, die über 18 Jahre alt sind.
Mekka der Scotch Whiskies
Man wird mit mit einig gehen: das Mekka des Scotch Whiskies ist und bleibt unbestritten die Isle of Islay. Koste es, was es wolle. In den letzten Jahren haben sich die Distillerien sogar vermehrt. Es vergeht mittlerweile kaum ein Tag, an welchem nicht News von Islay auf den Social Media Kanälen zu verzeichnen ist. Man gehört gern dazu, zu dieser Islay-Gemeinschaft, denn sie hat sich etwas zu erzählen – und den andern auch. Schön ist, hat man eine niedrige Plotnummer bei Laphroaig oder zählt zum Ardbeg Committee, um nur ein paar der Kundenprogramme hier zu nennen. Das macht uns wichtig.
Betonung auf das „Peaty“-Element
Aber nicht nur die Kundenförderungsprogamme haben sich in der letzten Dekade stark verändert, sondern auch die Whiskies selbst. Klar, die Betonung auf das „Peaty“-Element ist praktisch allgegenwärtig, denn es zeugt von seiner Herkunft. Allerdings verschwinden mehr und mehr auch hier die Age Statements. Sie sind die Opfer des eigenen Erfolgs. Es gibt sie noch, aber gerade ältere Abfüllungen sind heute schon sehr teuer – und wir sind da wohl nicht am Ende der Fahnenstange. NAS-Whiskies machten auf Islay deshalb relativ schnell die Runde. Das ist nichts böses oder schlechtes, es ist zeitgemäss und Qualität und der „Wow-Effekt“ braucht nicht notwendigerweise Alter.
Zudem haben es die Produzenten verstanden, von Anfang an Ihre Produkte auf den Markt auszurichten. Es gibt günstige NAS-Islays aber auch die ambitionierten, tiefgründigen und süffisanten Kreationen. Diese kosten dann entsprechend und unterliegen Limitierungen. Und es besteht da noch das Phänomen „Octomore“. Junger Whisky von Bruichladdich, aufgepeppt in schönen Fässern und mit maximalem Rauch. Könnte man einer solchen Flasche noch einen grossen Auspuff anhängen – so wäre ich überzeugt – gäbe es dafür eine Käuferschaft.
Auch Speyside zieht mit
Aber „peaty“ Whiskies gibt es nicht nur auf der Islay. Selbst die traditionell-konservative Speyside hat inzwischen reagiert und bringt zunehmend neue, interessante Whiskies aus getorftem Malz auf den Markt, als Ergänzung ihres normalen Productrange – und das zu erstaunlich guten Preisen, vor allem aber in einer ausgezeichneten Qualität. Doch interessieren tut das wenige. Es mutet an, als ob die Bayern den Fischmarkt aufwühlen wollten.
Was macht einen guten Islay Whisky aus
Auch der „Peaty Cask“ ist ein Spiel mit der Rauchigkeit im Whisky. Eine Disziplin, die erst seit kurzem wirklich Schule macht. Verschiedene Produzenten, z.B. Penderyn und jetzt auch der taiwanesische Kavalan reifen einen Teil ihres Whiskies im gebrauchten Islay-Whisky-Fass. Die Rauchigkeit kommt somit über das Fass in den Whisky – und nicht über die Gerste selbst. Diese Versionen von torfigem Whisky sind sehr filigran und dennoch überraschend mächtig.
Was macht aber schlussendlich einen guten Islay-Whisky aus? Sicherlich ist das einmal mehr eine Sache des persönlichen Geschmackes. Und viele Flaschen werden oftmals ohnehin nur zum Sammeln oder Angeben gekauft (und bei der ersten Geldnot mittels „Flaschenteilung“ liquide gemacht). Ich persönlich meine: Ein Islay-Whisky ist dann besonders gut, wenn die „Aromatik der Naturgewalten“ wie Rauch, Salz und Erde raffiniert durch Süsse, Fruchtigkeit und warmen Noten in eine stabile Balance gebracht werden und dadurch eine Tiefe schaffen, wo man Ungeheuer erwarten könnte. Und das braucht in der Regel Zeit.
Auch auf Islay scheint von Zeit zu Zeit die Sonne. Vergessen wir das nicht!