Olivenöl zählt zu den beliebtesten und gesündesten Speiseölen weltweit. Doch obwohl es von so vielen Menschen täglich verwendet wird, halten sich nach wie vor hartnäckig einige Mythen und weitverbreitete Irrtümer rund um das „flüssige Gold“. Zeit, mit den zehn gängigsten Missverständnissen ein für alle Mal aufzuräumen.
1. „Je heller das Olivenöl, desto besser die Qualität“
Dieser Irrglaube hält sich leider wacker. Tatsächlich sagt die Farbe eines Olivenöls so gut wie nichts über dessen Güte und Geschmack aus. Die Färbung kann je nach verwendeter Olivensorte und deren Reifegrad von fast farblos über grünlich bis ins satte Goldgelb variieren – ohne direkten Bezug zur Qualität. Viel entscheidender für die Hochwertigkeit sind Faktoren wie die Anbaumethoden, das Herstellungsverfahren, der Säuregehalt und nicht zuletzt eine professionelle sensorische Beurteilung.
2. „Zum Braten und Backen sollte man lieber raffiniertes Olivenöl nehmen“
Auch das ist ein weit verbreiteter Irrglaube. In Wahrheit eignet sich hochwertiges natives Olivenöl extra hervorragend zum schonenden Braten, Schmoren und sogar für viele Backwaren wie etwa ein leckeres Foccacia-Brot. Der Rauchpunkt von nativem Olivenöl extra liegt bei 180 bis 210°C und damit deutlich höher, als oft angenommen wird. Somit steht einer vielseitigen Verwendung in der warmen Küche nichts im Wege.
3. „Olivenöl verliert sehr schnell an Geschmack und Aroma“
Diese Aussage stimmt nur sehr bedingt. Natürlich büsst auch das hochwertigste Olivenöl mit der Zeit etwas an Intensität und Frische ein. Doch selbst eine bereits angebrochene Flasche hält sich bei dunkler, kühler und verschlossener Lagerung mindestens 10 bis 12 Monate, ohne nennenswert an Geschmacksqualität zu verlieren. Ein jährlicher Ölwechsel nach der neuen Ernte ist dennoch empfehlenswert.
4. „Gutes Olivenöl muss zwangsläufig teuer sein“
Hochwertige Spitzenöle haben sicherlich ihren stolzen Preis – aber auch im mittleren Preissegment finden sich viele hervorragende Olivenöle, die höchsten Ansprüchen genügen. Am Ende sind Faktoren wie die Herkunft, das Herstellungsverfahren und unabhängige Gütesiegel viel entscheidender für die Qualität als der reine Preis. Mit etwas Marktkenntnis lässt sich in jeder Preisklasse ein Öl finden, das schmeckt und rundum überzeugt.
5. „Light-Olivenöl hat deutlich weniger Kalorien“
Schön wäre es – leider handelt es sich hier um einen Mythos. Der Begriff „Light“ bezieht sich einzig und allein auf den milderen, weniger intensiven Geschmack, hat aber nichts mit dem Kaloriengehalt zu tun. Alle Olivenöle, egal ob „leicht“, „mild“ oder „intensiv“ ausgelobt, weisen einen nahezu identischen Brennwert von rund 824 Kilokalorien pro 100 ml auf. Wer Kalorien sparen will, sollte also eher sparsam dosieren als auf Leichtprodukte zu setzen.
6. „Olivenöl gehört in den Kühlschrank“
Mit dieser Einschätzung liegt man ziemlich daneben. Denn Temperaturen unter 8°C bewirken, dass viele Olivenöle trüb, dickflüssig oder sogar streichfest werden. Zudem leiden Geschmack und Aroma unter der Kälte. Deutlich besser ist eine Lagerung bei 10 bis 18°C an einem licht- und luftgeschützten Ort. Die Flasche sollte zudem fest verschlossen sein, um die Oxidation zu minimieren.
7. „Kaltgepresstes Olivenöl ist qualitativ das Nonplusultra“
Das kommt darauf an. Sicher, die Kaltextraktion ist ein besonders schonendes und aromaschonendes Herstellungsverfahren. Doch am Ende ist die Gesamtqualität der Ernte entscheidend. Auch sanft und kontrolliert erwärmte Öle können durchaus absolute Spitzenklasse sein, wenn die Oliven erstklassig waren. Unprofessionelle Kaltpressung wiederum kann minderwertige Resultate liefern. Eine differenzierte Betrachtung ist also sinnvoll.
8. „Ein Schuss Olivenöl macht jedes Gericht italienisch“
Diese Aussage ist viel zu pauschal. Olivenöl ist keineswegs eine rein italienische Domäne, sondern in allen Mittelmeerländern tief verwurzelt. Auch aus Griechenland, Spanien, Portugal oder Kroatien kommen regelmässig preisgekrönte Spitzenöle, die den besten italienischen Tropfen in nichts nachstehen. Statt in Landesstereotypen zu denken, sollte man besser die Stärken und geschmacklichen Nuancen jeder Ölregion für sich entdecken.
9. „Hochwertige Öle gibt es nur in Flaschen, Kanister taugen nichts“
Auch das ist kein ehernes Gesetz. Sicherlich ist Glas ein hochwertiger, lichtundurchlässiger Behälter, der etwaige Oxidationsprozesse bremst. Doch auch in grösseren Gebinden und Kanistern finden sich exzellente Olivenöle – oft zu deutlich günstigeren Literpreisen. Speziell wer regelmässig grössere Mengen verbraucht, fährt mit einem 3- oder 5-Liter-Kanister nicht selten besser als mit vielen kleinen Glasflaschen. Entscheidend bleibt die Produktqualität.
10. „Den Preis als Indikator nehmen – dann passt die Qualität schon“
Leider auch das ein Irrtum. Erstklassige Olivenöle müssen nicht zwingend ein Vermögen kosten. In der Preisklasse um 12 bis 15 Euro/Franken pro Liter finden sich bereits viele Öle, die hohen Ansprüchen genügen. Wer deutlich mehr ausgibt, zahlt nicht selten vor allem für bekannte Markennamen und cleveres Marketing. Geschmacklich bieten diese Öle dann oft kaum einen Mehrwert. Stattdessen ist Fachkenntnis gefragt: Wer Olivenöle verkosten und beurteilen kann, findet auch ohne Statussymbole das Richtige.
Schlussfolgerung
Olivenöl ist und bleibt eines der hochwertigsten, schmackhaftesten und gesündesten Speiseöle, die uns die Natur schenkt. Doch leider trüben Mythen, Irrtümer und manchmal auch gezielte Marketingtricks immer wieder den Blick für das Wesentliche. Dabei ist die Wahrheit so einfach wie wohlschmeckend: Mit etwas solidem Hintergrundwissen und einer objektiven, unvoreingenommenen Herangehensweise findet man in praktisch jeder Preisklasse, Herkunftsregion und Flaschenform erstklassige Olivenöle, die rundum überzeugen.
Worauf es ankommt, sind Faktoren wie Anbau, Ernte, Herstellungsverfahren, Lagerung und nicht zuletzt eine seriöse sensorische Qualitätsbestimmung. Der Preis allein, so viel ist sicher, ist kein verlässlicher Indikator für Güte und Geschmack. Noch weniger Aussagekraft haben die Farbe des Öls oder die Form der Verpackung.
Stattdessen empfiehlt es sich, unvoreingenommen an jedes Olivenöl heranzugehen, sich auf Fachkenntnis und Expertise zu verlassen und im Zweifel eine seriöse Verkostung mehr zu schätzen als blumige Werbeversprechen. So gelingt es, aus der schieren Fülle an Olivenölen von Korfu bis Kreta, von der Toskana bis Toledo die ganz persönlichen Favoriten zu entdecken – die Öle, die mit ihrem Duft, ihrer Textur und ihrem unverwechselbaren Geschmack den individuellen Gaumen erobern.
In diesem Sinne bleibt uns nur, zum genussvollen Erkunden zu ermuntern. Lassen Dich von den zehn häufigsten Irrtümern nicht verunsichern. Habe Mut zur eigenen sensorischen Wahrnehmung und gönn Dir einen grosszügigen Schluck Deines Lieblings-Olivenöls – im Wissen, etwas wirklich Gutes für Gesundheit und Geschmack zu tun. Denn am Ende liegt die Wahrheit auf der Zunge.