Vielen setzen „Muscat“ mit süssen Weinen aus Südfrankreich gleich. Oder ist ein Muscat doch eher der spritzige Schaumwein aus Italien? Bei näherem Anblick wird schnell klar: Pauschalisieren lässt sich „Muscat“ nicht, auch nicht als Sommerwein.
Muscat – oder Muskateller – ist eine der ältesten Weissweinsorten der Welt. Der frühste schriftliche Verweis auf „Muscat“ findet sich aus dem Jahr 1230. Immerhin fast 800 Jahre alt. Und man geht sogar davon aus, dass die Rebsorte bereits viel früher den Weg aus Vorderasien nach Europa fand. So wird beispielsweise Karl dem Grossen (742 – 814) eine besondere Vorliebe für den Muscat nachgesagt. Trotz seines Alters hat Muscat bis heute nichts an Aktualität verloren. Noch immer gehört er zu den beliebtesten Weinsorten überhaupt. Aber: Welcher Muscat?
Genau gezählt hat die Anzahl Mutationen und Spielarten des Muscats niemand. Man schätzt aber, dass es inzwischen rund 200 sind. Und es werden laufend mehr. Längst sind es nicht mehr nur weisse Trauben, auch in Grau, Violett und natürlich Rot gibt es sie. Und zumindest eine Gemeinsamkeit haben die meisten dieser Sorten: Sie verleihen dem Endprodukt eine typische Muskat-Note – der Name ist also tatsächlich Programm.
Muscat wird fast überall angebaut
Am bekannteste ist wohl die Sorte „Muscat blanc à petits grains“, oder auch Gelber Muskateller. Sie ist auch meist ge-meint, wenn man einfach vom „Muscat“ spricht. Angebaut wird sie fast in der ganzen Welt, von Portugal über Spanien, Frank-reich, Italien, Österreich, Deutschland bis hin zu Südafrika, Argentinien oder Chile. Und natürlich auch in der Schweiz, wo gemäss Statistik im Jahr 2010 auf 50 Hektar Rebfläche Gelber Muskateller angebaut wurde. Das Problem ist jedoch, dass diese Rebsorte nur bedingt frostsicher ist, weshalb sie hierzulande häufig mit Riesling oder Silvaner verarbeitet wird. Viel wohler fühlt sich die „Muscat blanc a petits grains“ da schon in südlichen Gefilden, wie Südfrankreich und Italien.
Wie unterschiedlich die Produkte sein können, die mit praktisch ein und derselben Traube erzeugt werden, zeigt sich nur schon im Vergleich der drei Regionen Südfrankreich, Elsass und Italien.
Südfrankreich
In Südfrankreich wird mit Muscat oft der „Vin doux naturel“ hergestellt, also ein natursüsser Wein, dessen Zucker ausschliesslich aus den Trauben kommt. Dabei wird durch die Zugabe von hochprozentigem Alkohol die Gärung des Weins gestoppt, um so mehr Zucker im Wein zu belassen – es entsteht ein klassischer Likörwein. Beim „Muscat de Rivesaltes“, einem der bekanntesten natursüssen Weine, ist beispielsweise nebst der „Muscat blanc à petits grains“ einzig noch ihr Verwandter „Muscat d’Alexandrine“ als Traubensorte zugelassen. Auch darf der „Muscat de Rivesal-tes“ nur in 99 Gemeinden im Anbaugebiet Languedoc Roussillon hergestellt werden, wo die Trauben auf kargen, kalkhaltigen Böden wachsen und einen Likörwein ergeben, dessen Aromen von Zitrone und Honig bis hin zu Orange und einer leichten Bitterkeit reichen.
Muscat in Italien
In Italien wiederum kommt die „Muscat blanc a petits grains“ – oder Moscato Bianco – vor allem für den Asti Spumante oder dessen Grundwein Moscato d’Asti zum Einsatz. Zwar ebenfalls süss, aber bei weitem kein Likörwein. Auch hier wird die Gärung vorzeitig unterbrochen, um die Süsse im Wein zu behalten. In diesem Falle jedoch durch eine Filtration, bei welcher der Hefe Stickstoff entzogen und so die Gärung zum Erliegen gebracht wird. Mit dem Status eines DOCG-Schaumweines unterliegt auch der Asti Spumante zahlreichen Vorschriften, bezüglich Anbaugebiet wie auch im Anbau und der Ernte selbst. So dürfen beispielsweise pro Hektar nicht mehr als 10 Tonnen Beerenmaterial geerntet werden, die Mostausbeute ist auf 75 Prozent beschränkt und als Anbaugebiet einzig die italieni-schen Provinzen Asti, Cuneo und Alessandria (Piemont) zugelassen. Aufgrund der inzwischen riesigen Nachfrage werden die Grundweine oft verschnitten, so dass schlussendlich alle Endprodukte mehr oder weniger das gleiche Aroma aufweisen. Auch setzt man, wie beim Prosecco, auf die Tankgärung. Einzig der „Asti Spumante Methodo Classisco“ wird mit klassischer Flaschengärung erzeugt.
Muscat im Elsass
Von den Weinen aus Südfrankreich und Italien unterscheiden sich die Muscat-Weine aus dem Elsass markant. Die Muskattraube ist hier eher ein Nischenprodukt, viel bekannter sind Gewürztraminer, Riesling oder Pinot blanc. Für den Muscat-Wein aus dem Elsass sind neben den kleinbeerigen Muscats auch die Muscat Ottonel-Trauben zugelassen, eine Abart des Muskatellers, die seit Mitte des 19. Jahrhundert Verbreitung findet. Anders als seine süssen südländischen Verwandten ist der Elsässer Muscat ein Wein mit sehr trockenem Charakter, geprägt von einem Aroma nach frischen Trauben und einem intensiven, fruchtigen Duft. Damit ist er ein idealer Aperitifwein, bietet sich aber auch zu Spargeln an. Diesen trockenen aber fruchtigen Charakter des Elsässer Muscats findet sich übrigens oft auch in den Muscat-Weinen aus Deutschland oder Österreich.
Eine Grundtraube – unzählige Unterarten
Aus ein und derselben Grundtraube werden also die verschiedensten Weine gezaubert, ganz zu schweigen von den unzähligen Unterarten, die noch hinzukommen. Diese Unterschiede zeigen einmal mehr, wie sehr die Lage aber auch die Kunst der Weinbauern Weine prägen. Gleichzeitig führen sie auch vor Augen, dass eine Traubensorte eben noch lange keinen Sommerwein ausmacht. Oder doch? Denn schlussendlich sind die Ansprüche an einen Sommerwein wohl so individuell wie die Geniesser selbst. Und da hat der Muscat mit über 200 Mutationen und Spielarten wohl fast für jeden etwas zu bieten.