
Auch Oliver Ullrich, der Macher hinter nginious! Gin fragte sich vor 5 Jahren, ob es in Anbetracht der Ginschwemme noch einen weiteren Gin braucht. Er hat die Frage damals mit Ja beantwortet und 2014 den nginious! Swiss Blended Gin auf den Markt gebracht. Der Erfolg am Markt hat ihm Recht gegeben. Wir sprachen mit Oliver Ullrich über die Entstehung von nginious! und die neue Brennerei in Basel.
Herr Ullrich, erzählen Sie uns kurz etwas über sich:
Ich lebe mit meiner Frau und meinen beiden Kindern in Riehen bei Basel. Nachdem ich mein halbes Leben beruflich mit Weinen und Spirituosen zu tun hatte, habe ich mich 2014 entschieden, die Seiten zu wechseln und selbst unsere eigenen Produkte zu entwickeln. Gemeinsam mit meiner Frau Iris produzieren wir die Ginmarke nginious!
Beschreiben Sie kurz den Menschen Oliver Ullrich:
Ich würde mich als sehr neugierigen, kreativen Menschen beschreiben, der mit viel Leidenschaft versucht, die verschiedenen Facetten der Person, die mich ausmacht, auszuleben. Tatsächlich gibt mir mein Beruf die Möglichkeit, mich auf allen erdenklichen Feldern auszutoben. Ich erinnere mich, dass ich bei einem Restaurantbesuch in New York einer Tischnachbarin verzweifelt versucht habe zu erklären, was ich eigentlich mache. Ich habe beschrieben, dass ich kreativ arbeite, indem ich aus einer Idee ein Produkt entwickle, handwerklich, weil ich es selber herstelle, wirtschaftlich, um es zu vermarkten und forschend, weil ich stets auf der Suche nach etwas Neuem bin, was vorher noch niemand in dieser Form gemacht hat. Sie meinte daraufhin, dass ich also ein „Entrepreneur“ sei. Mir wurde erst in diesem Gespräch klar, dass dieser Begriff in unserem Kulturkreis meist negativ behaftet ist, vor allem weil er unzureichend nur mit „Unternehmer“ übersetzt wird. Dabei enthält der englische Begriff so viel mehr, weil er zum Ausdruck bringt, dass jemand das, was er tut, in all seinen faszinierenden Teilen durch und durch lebt und atmet. Ich fand es sehr interessant, dass meine Tischnachbarin das sofort mit einem einzigen Wort benennen konnte, während ich ihr einen Roman erzählt habe. Lustigerweise ist für mich daher auch das Konzept eines „Hobbys“ völlig fremd. Das, was ich mache, füllt mich in jeder Hinsicht aus. Das bedeutet ja nicht, dass man nicht auch noch andere Leidenschaften hat, aber die Grenzen zwischen Arbeit, Hobby, Freizeit sind immer sehr fliessend. Das geht übrigens vielen anderen, die ähnlich in ihren Projekten aufgehen, genauso.

2014 wurde nginious! Gin geboren. Welche Vision stand hinter der Idee einen Gin zu kreiieren?
Die Geschichte von nginious! entstand bereits ein Jahr zuvor. Selbst vor 5 Jahren war nicht absehbar, dass der Gin Boom so extrem werden würde und trotzdem hatte der Hype bereits mächtig Fahrt aufgenommen. Wir haben uns damals schon auch gefragt, weshalb die Welt denn noch einen Gin brauchen würde und ob nicht bereits alle Geschichten erzählt wären. Tatsächlich hat dann alles damit angefangen, dass es ja noch überhaupt keinen Gin gibt, den man als DEN Schweizer Gin schlechthin bezeichnen würde. Angesichts der Vielfalt der tollen Schweizer Gins, die seitdem auf den Markt gekommen sind, ist dieser Anspruch einigermassen vermessen, aber als Antrieb hat das seinerzeit durchaus gedient. Schliesslich war selbst damals noch die häufigste Antwort: „Es gibt Gin aus der Schweiz?“. Das Leitmotiv für den Swiss Blended Gin war es denn auch, einen Gin zu komponieren, den man mit seiner feinen Kräuternote, Frische und Klarheit vom ersten Schluck als Schweizer Gin versteht.
Viel wichtiger und schliesslich auch die entscheidende Antriebsfeder bis heute für nginious! war jedoch immer die Suche nach dem, was es vorher noch nicht gab. So waren wir tatsächlich die ersten, die einen Gin im Vermouthfass haben reifen lassen. Wir haben mit der Verwendung der altehrwürdigen Badekappe für unseren Summer Gin eine fast schon ikonische Flaschendekoration kreiert und schliesslich haben wir den ersten geräucherten Gin gemacht, der auch noch gesalzen ist: den Smoked & Salted Gin. Ich denke schon, dass wir es geschafft haben, die Grenzen ein kleines bisschen weiter zu setzen. Darauf sind wir auch sehr stolz.
Am Anfang haben Sie nginious! Gin nicht selber gebrannt. Heute sind Sie stolzer Besitzer einen eigenen Brennerei. Was hat sich damit verändert?
Alles. Mit dem Bau der eigenen Brennerei sind wir vollkommen unabhängig geworden. Wenn man wie wir immer mit neuen Ideen experimentiert, braucht es diese Spielwiese und den Freiraum, der damit verbunden ist. Dazu kommt, dass auch die Produktion, Lagerung, Flaschenkonfektionierung und Abfüllung erheblich leichter geworden sind. In der Zwischenzeit wachsen wir ordentlich, da ist eine gewisse Effizienz in den Arbeitsabläufen und schlicht auch Platz einfach unerlässlich. Am wichtigsten jedoch ist die Tatsache, dass wir uns und nginious! mit dem Bau der eigenen Brennerei ein eigenes Zuhause geschaffen haben. Wir bekommen immer mehr Anfragen von Menschen, die gerne mehr über uns erfahren und uns besuchen wollen. Deshalb haben wir die Liquid Spirit Distillery, so der Name unserer Brennerei, auch bewusst an einem Ort gewählt, der wie die einzelnen Produkte, die wir herstellen, auch etwas aus dem Rahmen fällt und sind in die Räumlichkeiten einer ehemaligen Mühle mitten in Basel gezogen. Dort haben wir uns ganz oben unterm Dach unsere Brennerei eingerichtet mit offenem Blick nach Deutschland, Frankreich und die Schweiz.

Was ist das Besondere an nginious! Swiss Blended Gin?
Wir fertigen unsere Gins, indem wir die Botanicals, die wir verwenden, in separate Gruppen einteilen, die einzeln in kleinen Chargen destilliert und erst anschliessend verschnitten werden. Beim Swiss Blended Gin gibt es so 4 verschiedene Grundchargen mit Fruchtkomponenten, Zitruselementen, Kräutern und Wurzeln. Dadurch können wir die einzelnen Botanicals viel besser aufeinander abstimmen und erhalten so einen sehr harmonischen und komplexen Gin. Nach dem Verschnitt ruht der Gin, bevor er abgefüllt wird. Die Ruhe ist wichtig für die Harmonie und sie rundet den Gin erst richtig ab.
Welche Botanicals haben Sie verarbeitet?
Für den Swiss Blended Gin haben wir 18 Botanicals verwendet. Eine einzelne Charge dort enthält z.B. sehr typische Kräuter für die Schweiz wie Goldmelisse und Zitronenverbene. Andere Gins von uns haben teilweise deutlich weniger Botanicals, was wir bewusst so entschieden haben, um den Charakter dieser Gins hervorzuheben. So verwenden wir für den Summer Gin u.a. Pfirsiche, Jasminblüten, Rhabarber und frische Limetten – allesamt sehr typisch für den Sommer. Der Smoked & Salted Gin ist eigentlich ein eher klassischer Gin mit Koriander, Ingwer und Bitterorangen. Die herausragende Zutat sind jedoch Maroni, die wir z.T. in getrockneter Form kalträuchern, sowie ein ebenfalls geräuchertes Steinsalz. Rauch und Salz werden damit zu eigenen Botanicals, die den Gin auch nicht dominieren sollen, sondern die sich als Teil des Ganzen in die Komposition einfügen und mit den anderen Komponenten harmonieren und ausbalanciert sind.
Neben dem Swiss Blended Gin haben Sie mittlerweile noch fünf weitere Sorten im Angebot. Erzählen Sie uns etwas darüber.
Wie schon erwähnt sind das der Summer Gin, ein fruchtig-floraler, sehr frischer Gin mit dem sehr beliebten Badekappenetikett. Der nginious! Vermouth Cask Finished Gin ist, wie der Name sagt, die fassgereifte Variante des Swiss Blended Gin, gereift in einem Vermouthfass. Auch die Verpackung ist bei diesem Gin mit ihrer Lederetikette etwas sehr Besonderes: Jede Abfüllung eines neuen Fasses erhält ihr eigenes Design mit einer eigenen Lederedition. Und schliesslich noch der nginious! Smoked & Salted Gin, für den wir geräucherte Maroni und ein ebenfalls geräuchertes Sel à l’Ancienne aus den Schweizer Alpen verwenden.
Neben den oben beschriebenen Gins haben wir zudem anlässlich der Fertigstellung unserer Brennerei noch einmal einen komplett neuen Gin kreiert. Es war die allererste Produktion, die überhaupt auf der Anlage gebrannt wurde und den wir daher liebevoll auch „Distiller’s Cut“ nennen. Entgegen der anderen Gins, die alle wie erklärt aus Einzelchargen verschnitten werden, handelt es sich hierbei um einen klassischen London Dry Gin, dem wir jedoch mit Lavendelblüten und Thymian einen mediterranen Twist verliehen haben. Das Besondere an der Abfüllung ist, dass wir diesen Gin, von dem nur 3’000 Flaschen produziert wurden, in eigens für diesen Anlass entworfene Magnumflaschen abgefüllt haben. Jede dieser Magumflaschen ist mit einer gravierten und nummerierten Kupferplatte versehen. Auf Wunsch können wir diese Kupferplatte auch mit dem Namen des Käufers gravieren.
Und schliesslich haben wir 2017 noch etwas ganz Neues gemacht, nämlich einen bottled Cocktail: den ngroni! by nginious! Es handelt sich dabei um unsere Interpretation des klassischen Negroni. Wir verwenden neben dem Swiss Blended Gin den Vermouth, der zuvor im Barolo-Fass gelagert wurde und in dem später unser Vermouth Cask Finished Gin reift. Ausserdem enthält er einen traditionsreichen Schweizer Bitter nach Turiner Rezeptur. Anfangs waren wir selbst skeptisch, ob das Konzept funktionieren kann. Aber nachdem selbst Top-Barkeeper den ngroni! für sich selbst oder sogar für ihre Bar bestellen, obwohl sie sich selbst leicht ihren eigenen Negroni mixen können, haben wir es wohl ganz gut hinbekommen.
Nicht nur der Name nginious! ist speziell, auch die Flaschen und die Hüllen fallen aus dem Rahmen. Haben Sie das Design selbst realisiert?
Ja. Von Anfang an hatte ich die Idee eines Flachmanns im Kopf. Zu Beginn haben wir eine industrielle Flasche genommen. Man fängt nicht unbedingt gleich damit an, eine eigene Flasche herzustellen. Tatsächlich aber war die alte Flasche nie ganz das, was ich im Kopf hatte. Vor Jahren haben meine Frau und ich auf einem Flohmarkt in London einen wunderschönen viktorianischen Flachmann erstanden. Und so haben wir nach 3 Jahren beschlossen, dass wir diesen zum Vorbild nehmen und unsere eigene nginious! Flasche entwickeln. Diese trägt nun unseren Namen und unser Logo als Embossing. Das ist etwas, worauf wir wirklich sehr stolz sind. Es fühlt sich so an als wären wir mit dieser Flasche auch endgültig erwachsen geworden, denn das ganze Konzept ist nun stimmig. Die eigene Flasche gibt es in 10cl, 50cl und 150cl.
Was die Etiketten betrifft, so ging es mir immer darum, dass das, was auf der Flasche steht, auch den Inhalt widerspiegeln soll. Daher die Badekappe für den Summer Gin, das Leder für die fassgereifte Variante (klassischer Flachmann!), die geflammte Holzetikette für den Smoked & Salted Gin und schliesslich die Kupferplakette für den Distiller’s Cut als Symbol für die Kupferanlage, auf der der Gin gebrannt wurde. Und mit dem dreijährigen Geburtstag von nginious!, zu der die eigene Flasche herauskam, haben wir dem Swiss Blended Gin schliesslich auch ein neues, rotes Design verliehen, der seinen Ursprung zum Ausdruck bringen soll.
Vielleicht sollte man an dieser Stelle auch erwähnen, dass der in letzter Zeit sehr überstrapazierte Begriff „Craft“ bei uns auch für die Produktion und Abfüllung der Flaschen gilt: wir bei nginious! stellen unsere Leder- und Holzetiketten vom Schneiden bis zur Prägung alle selbst her. Jede Flasche wird von Hand etikettiert und abgefüllt. Das gilt auch für den Summer Gin – auch wenn wir die Badekappen verständlicherweise nicht selbst herstellen können.

Mittlerweile ist nginious! Gin ja nicht nur in der Schweiz erhältlich, sondern Sie sind damit auch in Deutschland und anderen Ländern erfolgreich. Wie sind Sie bei der Vermarktung vorgegangen?
Wie eingangs erwähnt, haben wir uns als Schweizer Ginmarke etablieren wollen. Und genau deswegen sind wir vom ersten Tag an nicht mit dem Fokus nur auf die Schweiz losgezogen, sondern haben uns in ganz verschiedenen Märkten präsentiert, u.a. in England, Belgien, Dänemark, Österreich. Erst im vergangenen Jahr haben wir auch in der Schweiz einen sehr grossen Schritt nach vorne gemacht. Der Bau der Brennerei hat da sehr geholfen. Mittlerweile wird nginious! in 15 Ländern vertrieben und wir sind auch bereits dabei, uns ausserhalb Europas einen Namen zu machen. Der schwierigste Schritt am Anfang ist immer, in jedem Markt den richtigen Partner zu finden. Angesichts der Flut an so vielen Gins kein leichtes Unterfangen. Dazu gehören auch Rückschläge und man muss manchmal zwei oder drei Anläufe zu machen, bis man mit den richtigen Vertriebspartnern zusammenkommt. Ein Patentrezept gibt es dafür nicht. Aber mit der Zeit bekommt man ein Gespür dafür, wer zu einem passt.
Wie trinken Sie den nginious! Swiss Blended Gin am Liebsten?
Als Gin & Tonic mit einem trockenen und neutralen Tonic. Der Swiss Blended Gin ist ein sehr kraftvoller Gin. Das Tonic wirkt bei diesem Gin geradezu Wunder. Es überdeckt den Gin nicht wie bei vielen anderen Gins, sondern es öffnet ihn im Gegenteil und lässt ihn entfalten, ähnlich wie bei manchen Whiskies, die sich erst durch die Zugabe von etwas Wasser öffnen. Der nginious! Swiss Blended Gin wurde mit seinen 45% Vol. genau dafür gemacht: er ist der perfekte Gin in einem Gin & Tonic.
Sechs Sorten Gin, eine eigenen Brennerei, war’s das jetzt oder an was tüfteln Sie im Moment. Können Sie unsere Neugierde ein wenig befriedigen?
Noch wollen wir nicht zu viel verraten. Aber der Erfolg des ngroni! gibt eine Idee, was als nächstes kommen kann: dieses Jahr wollen wir die Linie der bottled Cocktails um zwei Produkte erweitern. Im September dann kommt etwas ganz Besonderes auf den Markt, etwas, das ich seit über zwei Jahren schon verfolge. Es wird eine fassgereifte Version des Smoked & Salted Gin in einer ganz besonderen Kooperation geben. Mehr wird an dieser Stelle noch nicht verraten. Und natürlich gibt es Überlegungen jenseits des Gins. Wozu hat man schliesslich eine eigene Brennerei gebaut?!
Herr Ullrich, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch.
Mehr Infos: www.nginious.ch/