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Die Geschichte von Brissago, Original-Krumme, Rio Grande & Co.

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Eine echte Zigarre kommt aus Süd- oder Mittelamerika? Bei weitem nicht: Auch die Schweizer können Zigarren produzieren. Und machen dies auch bereits seit Jahrhunderten. Ein Rückblick auf die Geschichte – und eine Bestandsaufnahme von heute.

Wer heute von Zigarren spricht, denkt meist an edle Premiumzigarren aus fernen Ländern. Kuba, Dominikanische Republik, Brasilien, Venezuela… und die Schweiz? Traditionelle Schweizer Zigarren sind längst in den Hintergrund gerückt. Oder werden zumindest nicht mehr als solche wahrgenommen. Dabei hat die Schweiz eine grosse Zigarrentradition, war sogar einst weit über die Landesgrenzen für ihre Zigarren oder Stumpen bekannt.

Erhältlich sind diese «alten» Schweizer Zigarrenmarken zum Beispiel im Verkaufsladen der Tabakfabrik Roth, eine der letzten kleinen Schweizer Tabakproduzenten. Die Tabakfabrik Roth produziert in Hallwil Pfeifentabak sowie Stopf- und Drehtabak für Zigaretten, ausschliesslich aus Schweizer Tabak. Und auch Zigarren kommen nicht zu kurz. So vertreibt die Tabakfabrik Roth zum einen ihre eigene Zigarrenmarke in verschiedenen Formaten, welche in Beinwil am See konfektioniert werden. Zum anderen setzt man im Verkaufsladen in Beinwil am See stark auf die traditionellen Schweizer Zigarren­marken wie Hediger, Brissago, Villiger-Kiel, Original-­Krumme oder Rio Grande. Produkte, die bei einer grossen Stammkundschaft weiterhin sehr beliebt seien, erklärt Inhaberin Katharina Killer.

Der Grundstein

Der Grundstein zur Schweizer Zigarren-Geschichte wurde Mitte des 19. Jahrhunderts gelegt. Zuerst entstanden vor allem in den grossen Tabakanbaugebieten im Tessin und der Waadt weiterverarbeitende Fabriken. Pfeifentabak und Schnupftabak dominierten damals. Aber nicht nur: Als eine der ersten setzte die «Fabbrica Tabacchi Brissago» im Tessiner Dorf Brissago auch auf Zigarren und produzierte ab 1847 Virginia-­Zigarren unter dem Namen «Brissago Originale». Die leicht gekrümmte Zigarre aus dem Tessin mit ihrem typisch aromatischen, kräftigen Geruch steht bis heute für eine der berühmtesten Virginia-Zigarren überhaupt.

Noch heute wird die Brissago produziert, wenn auch nur noch in kleineren Mengen und maschinell. Und nicht mehr von der «Fabbrica Tabacchi Brissago». Diese wurde 1999 von Burger Söhne AG übernommen, zu der auch Dannemann gehört. Ein Teil des ­altehrwürdigen Firmengebäudes direkt am Lago ­Maggiore wird heute unter dem Namen «Centro ­Dannemann» als grosser Veranstaltungsort genutzt. Gegründet wurde Burger Söhne bereits 1864 im aargauischen Burg. Inmitten des Stumpenlandes, wie man das aargauische Wynen- und Seetal auch nannte. Hier gab es ab Mitte des 19. Jahrhunderts einen Übergang von der Textil- zur Zigarrenindustrie – mit weltweitem Erfolg. Während der Sezessionskriege zwischen den amerikanischen Nord- und Südstaaten von 1861 bis 1865 konnten Aargauer Produzenten beispielsweise bis zu zehn Millionen Schweizer Zigarren monatlich für die Armee der Nordstaaten liefern. Die Folge waren satte Gewinne und ein Aufschwung für die gesamte Region mit zahlreichen Arbeiterinnen und Arbeitern, die teilweise von zu Hause aus produzierten. Zwar kam es nach dem Ende der Sezes­sionskriege zu einem Umsatzeinbruch, bis zum 1. Welt­krieg waren es aber doch immerhin noch fast siebzig tabakverarbeitende Fabriken mit über 3000 Beschäftigten.

Hediger-Stumpen oder die Rio Grande aus dem Hause Weber – einer der Stumpen-Pioniere der Schweiz – fanden in dieser Blütezeit ihren Ursprung. Begünstigt wurde die gute Entwicklung der Tabakindustrie auch durch die tiefe Tabak-Besteuerung in der Schweiz sowie Schutzzölle auf importierte Produkte. Die gleiche Steuer, die auch das Ende der Blütezeit einläutete. Denn um nach dem ersten Weltkrieg die Schweizer Finanzen wieder etwas zu verbessern, verdreifachte der Bund die Tabakzölle auf einen Schlag. Kam hinzu, dass auch die Kaufkraft der Schweizer langsam sank – und die Konkurrenz der Zigarette aufkam. Die grösseren Betriebe konnten sich zwar noch einige Zeit über Wasser halten, die Entwicklung hin zur Zigarette war aber kaum mehr aufzuhalten. Vor allem die Produktion der hochpreisigen Kopfzigarren litt zusätzlich unter der Weltwirtschaftskrise, während günstigere Stumpen beim einfachen Arbeiter noch auf Anklang stiessen.   

Wenige Überlebende

Bis heute überlebt haben nur wenige Produzenten. Die meisten von ihnen waren bereits früh gross genug und konnten sich mit geschicktem Marketing und rechtzeitiger Weiterentwicklung retten. Dazu gehört zum Beispiel Burger Söhne AG. Durch zahlreiche Übernahmen, unter anderem dem Kauf der Dannemann GmbH 1988, gelang Burger & Söhne AG inzwischen der Sprung an die Weltspitze der Zigarrenproduzenten. Mit 60 Prozent Marktanteil in der Schweiz ist das Unternehmen hierzulande aber auch in Deutschland und Österreich Marktführer. Zur Basis des Erfolges gehört unter anderem der Rössli-Stumpen, der 1933 von Burger & Söhne lanciert wurde. Mit diesem gelang dem Unternehmen damals ein Marketing-Coup. Geworben wurde für den Rössli-Stumpen mit dem Image der Bodenständigkeit – und genau in diesem Segment hat er bis heute überlebt. Für mehrere Arbeiter-Generationen war der Rössli-Stumpen aus der Pause oder dem Feierabend nicht wegzudenken. Genauso wie der Villiger-Kiel oder Original-Krumme von Villiger.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Villiger Söhne AG ist dann auch das zweite grosse Unternehmen aus dieser Zeit, das bis heute Bestand und inzwischen weltweiten Erfolg hat. Gegründet wurde Villiger im Jahr 1888 ebenfalls im Stumpenland, im luzernischen Pfeffikon. Und bis heute ist der Sitz des Weltunternehmens in Pfeffikon geblieben. Das Überleben gesichert hat sich das Unternehmen mit frühen, geschickten Entscheiden. So gründete Louise Villiger, die nach dem Tod ihres Mannes das Unternehmen 16 Jahre lang erfolgreich alleine führte, 1910 im Deutschen Waldshut-Tiengen eine Niederlassung. Durch diesen Schachzug konnten die hohen Einfuhrzölle in Deutschland umgangen werden. Bereits drei Jahre zuvor, 1907, machte Villiger mit der Villiger-Kiel auf sich aufmerksam: Eine Zigarre mit Gänsekiel als Mundstück, wodurch kein Tabak mehr in den Mund gelangte. Das Produkt fand schnell Anklang und hob sich vor allem von anderen Angeboten ab. Ein weiteres erfolgreiches Kultprodukt im Villiger-Sortiment ist die Original-Krumme. Die Virgina-Zigarre, die nicht zuletzt dank ihrem aussergewöhnlichen Erscheinungsbild (siehe Box) bis heute für Aufsehen sorgt und in Erinnerung bleibt, wurde 1955 von der Cigarrenfabrik Helmut Eichenberger auf den Markt gebracht. 1988 übernahm Villiger das Unternehmen und damit auch die Original-Krumme.

Den Unternehmen Villiger Söhne AG und Burger Söhne AG ist es entsprechend wohl auch zu verdanken, dass ein kleiner Teil der Schweizer Zigarren-Geschichte weiterlebt. Denn einige der bekanntesten Marken sind nicht einfach verschwunden, sondern leben unter den Dächern der beiden Grossunternehmen weiter. Brissago der «Fabbrica Tabacchi Brissago» und die Original-Krumme sind hier nur zwei von vielen Beispielen. Auch das Westschweizer Tabakunternehmen Rinsoz & Ormond SA – das übrigens als Erfinder des Stumpens gilt – wurde von der Burger Söhne AG übernommen, welche die berühmten Marken Meccarillos, Ormond und Fivaz bis heute produziert und vertreibt. Villiger Söhne AG wiederum übernahm zum Beispiel auch Unternehmen wie die Hediger & Co. AG, Weber Söhne AG oder zuletzt die Zigarrenfabrik Wuhrmann. Mit der Übernahme von Wuhrmann ging 2008 die Geschichte einer der ältesten Zigarren­fabriken Europas zu Ende. Die Marke Wuhrmann wird von Villiger aber ebenso weitergeführt wie Weber mit ihrer Rio Grande.

Von den kleineren Schweizer Zigarrenfabriken gibt es heute nur noch sehr wenige. Nebst der Tabak­fabrik Roth zum Beispiel auch die Cigarrenfabrik ­Eichenberger «EICIFA». 1872 in Menziken gegründet, befindet sich das Unternehmen bis heute in Familienhand und wird von Edith Eichenberger und ihren beiden Töchtern Jacqueline und Caroline Eichenberger geführt. Noch immer werden die Eicifa-­Zigarren in der Schweiz teilweise nach altem Rezept produziert und können telefonisch oder übers Internet bestellt werden (www.eicifa.ch). Als ihr Erfolgsrezept bezeichnet Edith Eichenberger zum einen den Direktversand, welcher von ihrem Schwiegervater bereits 1922 eingeführt wurde. Dies, um die Preise niedrig zu halten, aber auch für einen persönlichen Kontakt zu den Kunden. «Nicht nur nehmen, sondern auch geben», erklärt Edith Eichenberger die Philosophie. Der persönliche Kontakt sei dann auch der zweite Pfeiler des Erfolges. «Es sind ­Nischen­­produkte, die wir verkaufen, aber gute ­Produkte zum fairen Preis», betont Edith ­Eichenberger und hofft, mit diesen ihre Kunden noch lange verwöhnen zu können.

Und auch Katharina Killer von der ­Tabakfabrik Roth blickt optimistisch in die Zukunft: «Vielleicht kommen die Stumpen zukünftig auch ­wieder mehr in Trend, jetzt, wo man sich wieder vermehrt auf traditionelle Sachen zurückbesinnt.»

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