Welch schönes Od da im Regal, strahlt mich an und ruft mich an bis ich nicht mehr widerstehen kann. Die Farbgebung eines Whiskies hat zugegeben etwas Magisches an sich. Vom blassen Gold zum tiefen Bernstein, ein ausgesuchtes und mit Innbrunst doziertes Vokabular für den optischen Genuss. Dass Farbe natürlich sein kann oder nicht ist einerlei, was zählt ist schlussendlich der Effekt. Wie kommt die Farbe in den Whisky?

Jedes Destillat, auch Whisky, ist zunächst bei der Destillation klar und farblos. Erst bei der späteren Lagerung im Eichenfass erhält er seine Farbe, die je nach Art des Fasses, Vorbelegung, Grösse, Temperatur und Dauer der Lagerung unterschiedliche Farbtöne in unterschiedlicher Intensität generiert. Whiskies werden zunächst fast ausnahmslos in gebrauchten Bourbonfässern gelagert. Je nachdem wie „frisch“ das Fass ist, werden mehr oder weniger tiefe Goldtöne extrahiert. Je frischer das Fass ist, desto stärker der Effekt. Es kann aber auch sein, dass bei einem alten, mehrfach belegten Fass fast keine Farben und nur wenig Aromastoffe mehr ausgelaugt werden. In vielen Fällen bekommt der Whisky ein Finish in einem anderen, üblicherweise in einem Sherry- oder Portfass. Diese geben neben einer sehr angenehmen Aromatik auch dunkle Farben in den Whisky. So weit so gut.

Naturgesetz: Marketing ist stärker als die Wahrheit

Jedes Fass gebärt eine leicht andere Farbgebung, selbst wenn es identische Fässer sind. Zudem ist es so, dass man festgestellt hat, dass dunklere Farben sich im Regal besser verkaufen lassen. Und vergessen wir nicht, wenn wir z.B. einen schönen Sherry Cask kaufen wollen, dann wären wir irritiert, wenn die eine Abfüllung heller ist als eine andere. Wir würden den helleren direkt mit einer weniger aromatintensiven Qualität verknüpfen und zum dunkleren greifen.

Es nennt sich harmlos „Caramel“ bzw. E150a und soll keine Aromatik in den Whisky abgeben. Während dieser Effekt jedoch noch immer kontrovers diskutiert wird, ist jedoch Tatsache, dass ein Produkt wie ein Single Malt Whisky, der mit „Natur Pur“ beworben wird, dennoch aus kommerziell-industriellen Gründen mit Farbstoff versetzt wird bzw. werden kann. Das ist gelinde gesagt ein Verrat am Produkt. Dies wissend, habe ich mir sämtliche Illusionen beiseite gelegt und setze keinen Pfifferling mehr auf eine Farbe eines Whiskies oder auch jeder anderen Spirituose. Die Farbe ist, ausser vielleicht noch bei den Single Case Whiskies, ohne jede Relevanz und sicher kein Kriterium für Qualität. Tragen wir solche idealistischen Anschauungen am besten sofort zu Grabe.

Nachhelfen, denn es lohnt sich

Niemand will es hören, aber es ist eine Tatsache: Scotch Whisky ist bis auf wenige Ausnahmefälle das Produkt einer grossen Industrie. Um der breiten Masse Produktkonsistenz („Brand Consitency“) gewährleisten zu können, wird also in vielen Fällen mit dem Ehrgeiz eines impressionistischen Malers und mit Caramel nachgeholfen. Betroffen sind davon vor allem die Standardabfüllungen der Single Malts. Aber nicht nur, und beim Blended Whisky ist Farbe ein absolutes Muss. Und dieser Ansatz zieht sich weiter fort, besonders ausgebildet beim Rum und allen anderen dunklen Spirituosen.

Das Fazit

Die Farbe eines Whiskies ist in den meisten Fällen also irrelevant. Im besten Fall können wir auf dem Label lesen „no colouring“, das wird dann wohl auch stimmen. Mir gibt das ein gutes Gefühl für die Authentizität des Produkts, die ich ja suche. Allerdings, das Phänomen der Färbung ist nicht neu, es prägt seit Jahrzehnten den Spirituosenmarkt. Immerhin ist Caramel in der Version E150a harmlos, denn es ist reines Caramel. Und wenn mich nun die Kleckserei wirklich stören würde, dann dürfte ich auch kein Cola und kaum ein anderes Getränk mehr zu mir nehmen. Ohne Farbstoffe (und weiteres dann aber einigen wirklich fragwürdigen „E“s) läuft bei Getränken nichts. Stossend ist hingegen aber, dass uns durch dunklere Farben eine höhere Wertigkeit vorgetäuscht wird. Der Volksmund sagt zu Recht: Die Wahrheit hat nur eine Farbe, die Lüge mancherlei.

Marcel Telser
Marcel Telser ist der umtriebige Kopf hinter der Telser Distillery Ltd. in Triesen (Lie) und führt die Brennerei in der 4. Generation. Der studierte Jurist bildete sich beim Wine & Spirits Education Trust in London sowie beim Institute for Brewing and Distilling in Elgin, Schottland fort. Zudem ist Marcel Telser Mitglied der Vorarlberger Spirituosensommeliers, Juror bei der International Wine & Spirits Competition (IWSC) in London, Member of the Gin Guild (London) sowie Vorstandsmitglied der Distiswiss.

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