Gin in aller Munde, ein Hype, ein Boom und Lifestyle pur. Mondän und anspruchsvoll etablieren sich Enthusiasten rund um den wachholdergeprägten Kräutergeist. Sie sind jung oder jung geblieben und lieben eben diese eine Art von feingliedrigen Genüssen und die ihnen innewohnende Art der Freiheit. So richtig zu verstehen ist das für Whisky-Enthusiasten eher schwierig, ist doch Whisky unsere und die Doktrin.
Aber handkehrum, erinnern wir uns doch an einen dieser manchen Abende, wo wir in den besten Single Malts geschwelgt, irgendwann doch genug hatten und einen guten Abschluss suchten: Da war der Gin-Tonic gerade recht als Schlummerbecher. Erfrischend, durstlöschend und eigentlich doch saugut. Da fragt man sich warum dem denn so ist.
The Botanist – und alles ist
The Botanist, der schottische, „one and only“ Islay Dry Gin statuiert ein Exempel. Bruichladdich – ja, diese Destille kennen wir als Whiskyliebhaber. Innovativ und manchmal doch gewagt geht diese ihren Weg. Ein neuer Stern am Horizont der dunklen Nacht, geboren aus dem Exportrückgang beim Scotch. Wenn Bruichladdich einen Gin produziert, wird aufgehorcht. Und auf einmal ist auch Gin interessant.
Gin ist anders, ganz anders
Klassischer Gin ist eine Spirituose, die auf der Basis von einem meistens neutralen Alkohol („Pure Grain Spirit“ manchmal, damit u.a. doch eine gewisse Nähe zum Whisky hergestellt werden kann) und mittels einer Auswahl von Kräutern, Wurzeln, Blüten, Blättern („Botanicals“ im gehobenen Sprachgebrauch) in der Regel durch eine Mazeration und nachgängiger Destillation zu einem frischen, reinen Gin verarbeitet wird. Viele Wege führen zum Gin, und viele davon sind geheim. Alte Rezepturen, nicht offengelegte Botanicals und manchmal keine Angaben zur Art und Weise der Destillation machen neugierig.
Es gibt sehr wohl mehrere Arten von Gin. Kurz: Gin ist eine eigene Wissenschaft mit sehr vielen Parametern, die individuell gesetzt werden können. Der Spielraum ist massiv grösser, als dies bei Whisky der Fall ist. Aber immer prägt der Wacholder seinen Geschmack, sonst ist es kein Gin. Und das gefällt nicht jedem.
Wir aber sind Whiskytrinker und wollen das auch bleiben. Allerdings sind die Störfeuer mittlerweile gewaltig. Schuld ist neben Gin auch die Zigarre, die uns ganz authentisch zum süssen Rhumgenuss verführt. Wenn eine Zigarre, dann zum Rum! So war es und wird es immer sein. Vom Cognac halten wir uns fern. Er könnte uns naturgemäss ganz vorzüglich munden, hätte man bloss die Basis.
Gin ist in – schon lange!
Woher kommt es aber nun, dass mehr und mehr Whiskydistillen in Schottland – und noch viel mehr auch in Europa oder eigentlich auf der ganzen Welt! – ihre Produktelinien um einen Gin bereichern?
Gin ist eine alte Spirituose, abstammend vom holländischen Genever, einem Wacholderschnaps und war gerade in England immer wieder Gegenstand von Kontroversen. Dabei war Gin einmal ein Gassensuff, in einer anderen Zeit ein Nobelgetränk und umgekehrt. Gin wurde und wird nach wie vor in unglaublichen Quantitäten und heute zusammen mit ganzen Schrebergärten weggeputzt. Da trödeln nicht halbe Flaschen jahrelang im Regal, nein, die sind fast immer schnell schnell im Altglas. Tonic Water (extrahierte Rinde des China-Baumes) macht es flüssig und süffig. Und es ist auch noch gesund. Jawohl. Klosterfrau Melissengeist – kennt jeder – ist gar als wohltuende Arznei eingetragen und ist dennoch am Ende nichts weiter als ein gin-ähnliche Spirituose mit einer nichtexistenten Wacholdernote, wenn man das so akzeptieren will, oder ganz einfach ein Kräutergeist. In meiner Zeit war er der erste Kindesschritt zum Alkohol, auf Zucker, gegen alle Leiden.
Wieder zurück zum Whisky kehrend, wissen wir, verlangt dessen Produktion nicht nur viel Mühe, Zeit, Platz und Geld, nein, Plagegeister wie Angels Share (Verdunstung bei der Fasslagerung) und auch die zeitraubende Betreuung von uns Markenfans rauben Zeit und Geld. Whisky ist mit anderen Worten ein im Vergleich zu einem Gin sehr aufwändiges Produkt.
„Mit Gin zum Zugewinn“
Um diesen Elend zu begegnen bietet es sich gerade zu an, neben Whisky auch Gin zu produzieren. Ebenso wie Whisky ist Gin ein Produkt, das nicht saisonal hergestellt werden muss, sondern wann immer Bedarf besteht ganz einfach und ohne Lagerung das Haus verlassen kann. Ein guter Markenname, eine ansprechende Flasche, schöne Flyer mit Rezepten für Cocktails und der Markt kann erobert werden. Dazu kommt, dass man beim Gin von Anbeginn nicht auf Tradition und altes Werkzeug bauen muss, was eine wesentliche Erleichterung darstellt. Und so hat ein jeder Gin, der über eine Whiskydestillerie vermarktet wird, seine eigene, besondere Kompetenz. Eigentlich ausnahmslos zu Recht, denn diese sind sehr oft besonders gut.
„Whisky und Gin – ein Beginn“
Verschiedener können Spirituosen eigentlich nicht sein. Dementsprechend ist es mehr als klar, dass auch deren Konsumenten anders sind. Doch ein bisschen Volksschul-Mathematik hilft: Die gemeinsame Schnittmenge. Man darf sich freuen, dass es auch für diese derzeit noch kleine Gruppe künftig mehr spannende Produkte geben wird: Nämlich den fassgelagerten oder „Aged“ Gin, der zwar kein Whisky ist, aber dennoch vieles von den interessanten Aspekten eines Whiskies in sich tragen kann, wenn er lange genug im Fass reift. To Discover – und für unsere verbindenden Diskussionen ist gesorgt, wie wir sie vom Whisky kennen. Und da hilft es, sich mit „New Make“ Gin schon auszukennen. „Whisky and freedom gang thegither“ – mancher kennt den Satz von Robert Burns und mag vielleicht heute denken, zeitgenössisch ausgelegt ist Freiheit Gin.