Es ist das Dilemma eines jeden Whiskyliebhabers. Soll man die seltene Flasche anbrechen oder auf die Seite stellen für eine besondere Gelegenheit? Man könnte sie auch noch einige Zeit bei sich lagern und dann gewinnbringend verkaufen. Es gibt aber auch Leute, die nicht lange fackeln und der Flasche in blanker Wollust das Top wegreissen, um gleich zur Sache zu kommen. So oder so stellt sich die Frage, wie man seinen Whisky richtig lagert.

Ist sie einmal angebrochen, ist es regelmässig eine unter vielen exzellenten und weniger exzellenten Flaschen, die sich in dem hübsch mit einem günstigen Tartan-Stoff ausgekleideten Schrein im Wohnzimmer der Statik übt. Daneben steht ein angestaubter – und in einem Pub „abgestaubter“ Wasserkrug vom Urlaub in Schottland mit Freunden anno 1991. Ein Appell zur Achtsamkeit. Die kleine Sammlung will sich gepflegt präsentieren. Und selbstverständlich soll für jeden möglichen Geistes- und Gemütszustand der richtige Whisky greifbar sein. So kann es aber vorkommen, dass gerade derjenige angebrochene Whisky, dem Büchsenöffner-Eigenschaften zugeschrieben werden, seit dem Entfernen der Kapsel kein weibliches Wesen mehr auf dem Sofa gesehen hat. Zweifel kommen auf, der Korken ist schon etwas lädiert, man hält die Nase an den offenen Flaschenhals und schnuppert. Der ist nicht mehr das, was er einmal war. Korken wieder drauf, die Flasche zurück in den Schrein gestellt, Problem nicht gelöst, was soll’s. Dass die Frau von heute einfacher mit einem süffigen Rum zu motivieren ist, weiss man eigentlich. Und grad der passionierte weibliche Whiskytrinker verträgt immer mehr als unsereins. Man meint es an sich gut und die sorgfältig ausgesuchte, zweckbestimmte Flasche verreckt elendiglich im Flitter und Tand.

Unangebrochene Flaschen halten länger

Nur eine verschlossene Flasche ist eine gute Flasche. Sie behält Ihren Wert, ist im Eigentum und beschert optische Freude. Das sind schon drei gute Gründe für den asketischen Entscheid, eine Flasche nicht zu öffnen. Entscheidet man sich für diese Art des Zölibats, dann sollte man vorkehren, dass alles rein und jungfräulich bleibt, so wie man es sich vorstellt. Licht ist der Teufel für jedes Destillat, also auch für Whisky. Mit Sonnenlicht kann man die feinen Aromen eines Whisky erstaunlich rasch zur Hölle schicken. Heute umso mehr, denn je länger je mehr Whiskies werden in weissen Klarglasflaschen abgefüllt und seit der Energiekrise in den Siebzigern haben wir obendrauf noch die Zeitverschiebung, das dieses Tageslicht gar noch verlängert.

Einige Anbieter von Scotch haben es begriffen – oder sich mit Glück im blinden Extremismus der Tradition nie darüber Gedanken gemacht – dass grüne Flaschen zur Lagerung besser geeignet sind.

Regelmässig überliest man hingegen schon mal leichtäugig die kleingedruckte Deklaration vom Farbstoff auf dem Rücketikett. Das will man eigentlich auch gar nicht wissen. Und diejenigen Hersteller, die Karamel zur Färbung oftmals völlig legitim verwenden, machen schüchtern glaubhaft, dass dieser Zusatz keinen Einfluss hat auf den Geschmack.

Viele Liebhaber bauen sich mit dem Geschick eines alemannischen Schreinersmeisters edle Holz-Untersetzer für gesammelte Flaschen, kleinen Regalen gleich mit im tragenden Korpus unter Milchglas eingebauten LED’s. Damit strahlen die klaren, bauchigen Fläschchen von unten beleuchten wie ein in China hergestellter Adventskranz auf, aber mit Stil, auf Echtholz.

Dunkle Flaschen sind immer besser für die Lagerung

Mit grünen oder braunen Flaschen funktioniert diese Art der Dramaturgie hingegen nicht. Aber dunkle Flaschen sind immer besser geeignet für die sachgerechte Lagerung als klare. Also, dunkler Ort, Originalverpackung, keine zu variablen Umgebungstemperaturen, stehend und möglichst frei von dauerhaften Fremdgerüchen wie Ölheizung oder Kuhstall. Und dann hält eine geschlossene Flasche Whisky sehr, sehr lange ohne an Qualität einzubüssen. Allerdings verliert der Korken seine Qualität: er trocknet irgendwann einfach aus und wird deshalb spröde.

Was man nie machen sollte, ist eine klarglasige abgefüllte Spirituose zu erwerben, die länger als ein paar Stunden im Schaufenster gelegen oder gestanden hat. Dem Whisky oder dem Destillat wird da schon innert relativ kurzer Zeit ein Teil der Komplexität beraubt.

Schliesslich: Glas ist nicht ganz so dicht, wie man gemeinhin glaubt. Und Korken aufgrund seiner natürlichen Beschaffenheit ebenfalls nicht. Die Konservierungsstoffe und Desinfektionsmittel, mit welchen die Korken behandelt werden (müssen), helfen heute allerdings, dem entgegenzuwirken. Es kann aus erwähnten Gründen sein, dass sich bei einer längeren Lagerung das Volumen des Destillates vermindert. Und das führt uns zum nächsten Thema:

Reift der Whisky in der geschlossenen Flasche nach?

Es kommt darauf an. Ja, es kommt wirklich darauf an! Und zwar auf mehrere Parameter. In der Flasche ist immer ein Teil Luft, ein Teil ist Alkohol und dann ist da ein grosser Teil an Wasser. Nehmen wir eine Flasche, stellen uns ihr Leben, ihre Lagerorte, Stürze und Temperaturschwankungen vor. Es ist schon einmal interessant sich die Reise oder die Geschichte einer Flasche durch den Kopf gehen zu lassen. Aber was ist wirklich wesentlich? Vor allem die Temperaturschwankungen. Das Ethanol, d.h. der Alkohol reagiert überaus empfindlich auf Temperaturschwankungen. Wird es kalt, zieht er sich zusammen, wird es warm, dehnt er sich aus. Und beides ziemlich extrem, da braucht es nicht riesige Temperaturunterschiede, um diesen Effekt in der geschlossenen Flasche zu beobachten. Die verkorkten Flaschen sind nicht 100% hermetisch geschlossen, auch wenn sie „dicht“ wirken.

Bei Erwärmung wird Luft aus der Flasche langsam, langsam rausgepresst und bei Abkühlung saugt sie langsam, langsam Luft an. Wir haben also einen minimalen Luftaustausch in der Flasche zu verzeichnen. Das wiederum bedeutet, wir haben eine erhöhte Möglichkeit von Oxidation. Oxidation heisst wiederum: Einladung zum „Reifen“. Dieser Effekt ist minimal, aber wie wir wissen, steter Tropfen höhlt den Stein. Whisky (und jede andere Spirituose) mit „schwachen“ Verschlüssen kann deshalb in der verschlossenen Flasche unter den oben beschriebenen Bedingungen (latente Temperaturschwankungen) oxidieren bzw. im guten oder schlechten nachreifen, wenn dann die Zeitachse nur lang genug ist. Bei richtiger Lagerung, wie oben beschrieben, ist dieser Effekt aber praktisch ausgeschlossen.

Die angebrochene Flasche: „Drink Reponsibly!“

Nach den obigen Erläuterungen kann ich mich kurz fassen. Whisky wird nach Anbruch nicht auf Dauer besser. Je leerer die Flasche, desto mehr Luft ist drin. Luft begünstigt wie dargelegt die Oxidation. Diese kann man jedoch „abstellen“. Mit nicht-reaktiven Edelgas-Gas, das schwerer ist als Luft, nicht reagiert und sich auf das Destillat in der Flasche legt und somit den Sauerstoff vom Destillat trennt. Der spezialisierte Fachhandel verkauft das sehr gerne und jeden Tag wird neues Gas abgefüllt. Das ist sicherlich für grosse Sammlungen mit angebrochenen, teuren Flaschen eine Überlegung wert. Eine andere Möglichkeit ist das Umfüllen in kleinere Flaschen, die dann voll gelagert werden.

Der Zweck einer vollen Flasche ist die Lagerung und der Transport, der einer angebrochenen Flasche ganz einfach die Entleerung. „Drink Responsibly“ lesen wir oftmals auf den Etiketten der Whiskies. Trink vernünftig. Aber trink!

Marcel Telser
Marcel Telser ist der umtriebige Kopf hinter der Telser Distillery Ltd. in Triesen (Lie) und führt die Brennerei in der 4. Generation. Der studierte Jurist bildete sich beim Wine & Spirits Education Trust in London sowie beim Institute for Brewing and Distilling in Elgin, Schottland fort. Zudem ist Marcel Telser Mitglied der Vorarlberger Spirituosensommeliers, Juror bei der International Wine & Spirits Competition (IWSC) in London, Member of the Gin Guild (London) sowie Vorstandsmitglied der Distiswiss.

2 Kommentare

  1. Schöner Bericht, vielen Dank!
    Eine kleine Anmerkung hierzu: Ähnlich wie beim Wein, kann man nach Anbruch der Flasche den Füllstand künstlich durch Glasperlen erhöhen- dadurch wird die Oberfläche und damit die Oxidation verringert( weniger Luftkontakt wenn soviel Glasperlen in die Flasche gefüllt werden, dass der Flüssigkeitsstand bis in den Flaschenhals reicht) dann den Korken noch mit Parafilm verschließen- und schon kann der edle Tropfen ähnlich lange wie eine ungeöffnete Flasche gelagert werden!

    • Hi Tim,
      ja, mit dem Parafilm mache ich auch schon einige Zeit bei meiner 80+-Flaschensammlung. Die Glasperlen noch nicht. Dafür halt zusätzlich zum Parafilm das Edelgas-Topping.
      Klappt bis jetzt ganz gut.

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