Kostbare Raritäten belohnen in manchen Jahren die Risikobereitschaft der Winzer. Wenn Winzer pokern ist der Einsatz hoch. Es geht um Trauben, die länger als sonst üblich am Rebstock hängen bleiben und auf Temperaturen von mindestens minus sieben Grad Celsius warten. Bis Januar, in seltenen Fällen auch bis Februar kann das Spiel Winzer mit der Natur dauern. Für den Winzer geht es dabei um alles oder nichts, denn der Eisweinpoker birgt das Risiko des Totalverlustes.
Wenn es nicht kalt genug wird – minus sieben Grad Celsius müssen es mindestes sein – kann kein Eiswein gelesen werden. Nur etwa 5-10 Prozent der ursprünglichen Erntemenge kommen durchschnittlich als Eiswein in die Flasche. Die restliche Traubenmenge wird selektiv herausgeschnitten oder fällt den unberechenbaren Witterungsumständen zum Opfer.
Das Meisterstück des Winzers
Die eigentliche Eiswein-Lese, oft in den frühen Morgenstunden, ist anstrengend. Die Kälte macht die Finger starr und schmerzempfindlich. Mühsam werden die gefrorenen Beeren gelesen, am Ende liegt die Erntemenge oft nur zwischen 300 und 500 Liter pro Hektar. Dennoch sind die Eisweine für den Winzer immer wieder eine Herausforderung, der er sich kaum entziehen kann. Denn diese Spezialität ist immer wieder ein Meisterstück des Winzers, das nur in nördlichen Weinregionen produziert werden kann.
Das macht die Sache nicht nur für den Winzer spannend. Eiswein-Fans aus aller Welt schauen ab dem Lesebeginn immer wieder auf das Thermometer und hoffen auf den Kälteeinbruch. Der Wein, der von Anfang an als Rarität produziert wird, ruft die Sammler auf den Plan. Stolze Preise werden für die edlen Tropfen verlangt, dennoch sind die wenigen Flaschen stets heiss begehrt.
Die Beere muss am Rebstock gefrieren
Dass Minusgrade bei der Weingewinnung hilfreich sein können, ist bereits seit den Anfängen des Weinbaus bekannt. Schon im Jahre 44 nach Christus berichtete der römische Schriftsteller Plinius von Weinen, die aus gefrorenen Trauben gekeltert wurden. Hierzulande ist der Eiswein erstmals seit 1830 urkundlich nachweisbar, als Winzer im rheinhessischen Dromersheim bei Bingen am 11. Februar zufällig feststellten, dass aus gefrorenen Trauben ein wunderbar süsser Most gewonnen werden konnte. Mit einer Novellierung des deutschen Weingesetzes 1982 wurde der „Eiswein“ zu einer eigenständigen Prädikatsstufe erhoben und ein Mindestmostgewicht festgelegt, das mindestens dem einer Beerenauslese entsprechen muss, nämlich je nach Anbaugebiet 110 bis 128° Oechsle.
Im Unterschied zu den anderen edelsüssen Weinen wie Auslesen, Beerenauslesen und Trockenbeerenauslesen liegt das Geheimnis der Eisweine in der dichten Konzentration der Beeren-Inhaltsstoffe und einem vergleichsweise hohen Säuregrad. Ein Phänomen, das durch das Gefrieren der Beeren am Rebstock erreicht wird. Mindestens minus 7 Grad Celsius braucht es, bevor die Eiswein-Trauben gelesen werden dürfen, idealerweise sind es minus 10 bis minus 12 Grad Celsius. Die natürlich gefrorenen Trauben werden in diesem „eisigen“ Zustand noch am frühen Wintermorgen gekeltert. Das in den Beeren enthaltene Wasser bleibt so als Eis auf der Kelter zurück, während nur der süsseste Saft, dessen Gefrierpunkt tiefer liegt als der von Wasser, als hoch konzentrierter Most gewonnen wird.
Moste mit derart hohen Zuckergehalten können von den Hefen nur sehr mühsam zu Wein vergoren werden. Dementsprechend haben deutsche Eisweine in der Regel sehr hohe natürliche Restzuckergehalte von weit über 100 Gramm pro Liter, weisen aber im Gegensatz zu südländischen Süssweinen nur relativ geringe Alkoholgehalte auf – oftmals nur um sieben Volumenprozent.
Eiswein ist kein Zufallsprodukt
Bei der Eisweinbereitung geht Qualität vor Quantität. Das bedarf einiger Vorbereitungen und eines besonderen Engagements des Winzers, denn Eiswein ist kein Zufallsprodukt. Ein striktes und straffes Qualitätsmanagement im Weinberg und spezielle Kultivierungsmassnahmen während des ganzen Vegetationsjahres sind für einen grossen Eiswein Voraussetzung: Ertragsreduzierender Rebschnitt im Frühjahr und eine strenge Selektion der Trauben vor der eigentlichen Lese gehören dabei zum Mindeststandard.
Haben die Trauben die Vollreife erreicht, werden die Eisweinparzellen zum Teil entblättert und in Folie eingepackt. Diese dient in erster Linie dem Schutz vor Vogelfrass und wurde zuerst in den sechziger Jahren praktiziert. Ohne den Folienschutz würden bis Dezember oder gar Januar keine Trauben mehr am Stock verbleiben. Klimatische Veränderungen können mit der Folie nicht erreicht werden.
Ein grosser Eiswein braucht gesunde Trauben
Passionierte Eisweinwinzer achten peinlich genau auf ein gesundes Lesegut ohne Botrytis-Befall, der für die sogenannte Edelfäule verantwortlich ist. Denn ein grosser Eiswein braucht vor allem möglichst gesunde Trauben als Ausgangsmaterial. Und genau hier liegt auch der geschmackliche Unterschied zu den anderen edelsüssen Gewächsen wie Beerenauslese und Trockenbeerenauslese. Ein hochwertiger Eiswein weist nicht die geschmacklichen Charakteristika der Edelfäule auf. Das gesunde Traubengut garantiert vielmehr einen frischen und konzentriert fruchtigen Geschmack, dazu verfügen die Weine in der Regel über eine relativ stabile Säure. Eisweine sind daher auch schon in jungen Jahren ein Genuss.
Der krönende Abschluss eines kulinarischen Abends
Eiswein ist der grandiose Begleiter festlicher Anlässe und ein hervorragender Aperitif, der Gourmets in Verzückung geraten lässt. Wenn das Menü sich vollendet, verspricht der Eiswein ein glanzvolles Finale: Er empfiehlt sich gemäss der Regel: gleich und gleich gesellt sich gern – besonders zu fruchtigen Desserts, Eis oder Sorbets.
Eine interessante Komposition ergibt – selbst wenn es vielleicht zunächst unglaublich klingt, – der Genuss mit reifem Edelschimmelkäse: Auf der einen Seite die salzigen bis leicht bitteren Noten des cremigen Käses, auf der anderen Seite die fruchtig süssen Aromen des konzentrierten Weines, der geschmeidig Gaumen und Zunge umhüllt, addieren sich zu einem aussergewöhnlichen Geschmackserlebnis.
Quelle: Deutsches Weininstitut